Ein Beitrag zur Christianisierung unserer Heimat

Von Dechant Brückmann, Niederöfflingen (1922)

Wie die ganze Geschichte der ersten Jahrhunderte, so sind auch die Anfänge des Christentums in unserer engeren Heimat in Dunkel gehüllt. Gewiss gab es im zweiten Jahrhundert in Trier und anderwärts Christen: reisende Kaufleute, von Süden kommend, Soldaten, Gewerbetreibende, Sklaven mögen zum ersten Mal die frohe Botschaft ins Land gebracht haben. In der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts hat das Christentum festen Fuß gefasst in Trier und sich mit einem Bischof an der Spitze organisiert. Von hier aus breitet es sich weiter aus, zunächst den Heerstrassen und den Flussläufen entlang; ob es auf dem Lande bei der eingeborenen Bevölkerung schon Erfolge gehabt, wird von der Forschung meist verneint. Es folgen die Stürme der Völkerwanderung, welche manche zarte Pflanzung des Christentums zerstören, manch hoffnungsvolle Saat vernichten. Aber auch diesen Stürmen gegenüber beweist das Christentum seine unverwüstliche Lebenskraft; auch die heidnischen Franken, die unsere Gegend überfluten, beugen sich unter das Kreuz. In den abgelegenen Gegenden aber erhielt sich noch lange das Heidentum; wir erfahren z.B. durch den Einsiedler Wulfilaicus, der sich gegen Ende des 6. Jahrhunderts in der Trierer Diözese niederlässt, dass das Volk noch ganz heidnisch sei. Es werden noch viele Jahre vergangen sein, bis es tatkräftigen Bischöfen und seeleneifrigen Missionaren gelang, die letzten Reste des Heidentums zu vernichten; da die Zeiten of kriegerisch und der Friedensarbeit des  Evangeliums nicht förderlich waren, so werden wir auch mit Rückschlägen rechnen dürfen. Zeiten solcher Rückschläge waren die Jahre etwa von 660 bis 740, wo nach dem Ausdruck des hl. Bonifatius es in Westfranken keine Synoden noch Erzbischöfe gegeben hat, wo die kirchlichen Verhältnisse fast vollständiger Zerrüttung anheim fielen. Da war es Aufgabe des großen Apostels der Deutschen und seines Zeitgenossen, des hl. Willibrord mit ihren Gefährten, die aus England herübergekommen, das, was zusammengestürzt, wieder aufzubauen, das kirchliche Leben neu zu organisieren, vielleicht aber auch, wie es Bonifatius mit so großem Erfolg  jenseits des Rheines getan, die letzten Reste des Heidentums auch bei uns auszurotten.

Einen Zeugen aus der Zeit des Wirkens jener Glaubenspioniere besitzt unsere engere Heimat in dem Edeltrudisbrunnen zu Niederöfflingen. Er liegt einige 100 Meter östlich vom Orte, auf der Hochebene, gut sichtbar für den Reisenden, der Strecke von Wittlich nach Daun fährt, sobald die Bahn die Höhe erklommen.*

*Anmerkung der Redaktion:

Die Beschreibung der Lage des Edeltrudisbrunnens von Dechant Brückmann, der diesen Beitrag um 1922 erstellt hat, treffen heute nicht mehr zu. Niederöfflingen hat sich inzwischen so vergrößert, dass der Brunnen nun am östlichen Ortsrand liegt. Die Bahnstrecke von Wittlich nach Daun wurde stillgelegt und ist inzwischen der heutige Maare-Mosel Radweg. Zwischen Bahndamm bzw. Radweg und Niederöfflingen verläuft heute die Autobahn A1/48.

Edeltrudiskapelle erbaut um 1850. Im zweiten Weltkrieg durch eine Explosion zerstört
Brunnenwölbung mit den Sandsteinfiguren

Breitästige Linden überschatten den Brunnen. Ein Blick in die Wölbung hinein zeigt einige Sandsteinfiguren, deren schon weit fortgeschrittene Verwitterung auch den Unkundigen auf ein hohes Alter des Brunnens hinweist. Daneben steht eine Kapelle, die um 1850 an Stelle einer uralten erbaut wurde. Der Altar stammt aus dem 18. Jahrhundert, die Holzfigur der hl. Edeltrudis auf dem Altar dürfte in die Zeit um 1500 zu versetzen sein. Alljährlich am Sonntag nach dem Namensfest der hl. Edeltrudis, das auf den 23. Juni fällt, ist dieser Brunnen das Ziel vieler Pilger von fern und nah. Seit Jahrhunderten wird das Wasser des Brunnens geweiht durch den dreimaligen Segen:

„Dass du diesen Brunnquell segnen und weihen wollest, wir bitten dich erhöre uns!“ und dem eine altes Gebet zur hl. Edeltrudis angefügt: „Allmächtiger, hochherrlicher Gott, du Urheber der Tugend und Liebhaber von Jungfräulichkeit, du hast heute die hl. Edeltrudis zu den himmlischen Freuden geführt; kniefällig rufen wir deine Hilfe an, auf dass wir im Himmel uns über ihren Schutz freuen dürfen, wenn wir ihr Fest auf Erden feierlich begehen.“

Das linke Bild zeigt die Holzfigur der hl. Edeltrudis aus dem 16. Jahrhundert, von der Dechant Brückmann berichtet. Anfangs stand sie auf dem Säulenaltar in der Edeltrudiskapelle.
Diese Statue wurde restauriert (Bild rechts) und befindet sich heute in der Pfarrkirche St. Edeltrudis.
 
 
Beschreibung und Bilder der neuen Kapelle, eingeweiht 1950, sind auf unserer Internetseite unter “Kulturelles” auf der Seite “Edeltrudiskapelle” verfügbar.

Dem Brunnen werden Heilkräfte zugeschrieben, St. Edeltrudis wird besonders als Helferin bei Augenleiden verehrt. Eine Inschrift auf der Rückseite des alten Holzbildes will wissen, Edeltrudis habe hier als Einsiedlerin gelebt und sei um das Jahr 900 hier fromm und gottselig entschlafen. Noch mehr Rankenwerk schlingt die Legende um dies Angabe: Damals herrschte auf unserer Eifelhöhe großer Wassermangel. Auf Bitte der Einwohner betete Edeltrudis zu Gott und stieß dann mit ihrem Stab in einen Aschenhaufen, sofort sprudelte eine klare Quelle hervor, deren Wasser gesund und unversieglich war. In der Tat zeigt das Wasser in der Tiefe des Brunnens eine aschgraue Färbung, welche die Legende in ihrem Sinne ausdeutet; sie dürfte aber auf den starken Gehalt des Bodens an grauem Ton zurückzuführen sein.

Was ist Wahrheit, was ist Dichtung in unserer Legende? Um dies festzustellen und um das Wahre aus dem Falschen herauszuschälen, müssen wir zurückgreifen auf die Lebensgeschichte der hl. Edeltrudis. Wir sind darüber gut unterrichtet durch den Kirchelehrer Beba den Ehrwürdigen, der fast ihr Zeitgenosse war (674 – 735) und der eine Geschichte der angelsächsischen Kirche geschrieben und auch ein Preisgedicht auf unsere Heilige verfasst hat. Edeltrudis (Edithryda, Uetheldritha, Etheldreda genannt), etwa 630 – 640 geboren, war eine Tochter des Königs der Ostangeln Hunna oder Unna, der erst in gereiften Jahren Christ wurde, aber dann ein „Musterchrist im Denken und Handeln“ war, wie Beda ihn nennt, und der in Verteidigung des Glaubens gegen den heidnischen König Penda von Mercien sein Leben opferte. Seien Gattin Hereswida war ihm gleichgesinnt und ebenbürtig, nach dem Tode ihres Gatten zog sie sich in ein Kloster nach Frankreich zurück, wo sie ihre Tage im Rufe großer Heiligkeit beschloss. Ihrer Ehe entsprossen sechs Kinder, von denen fünf in der Kirche als Heilige verehrt werden. Zur Jungfrau herangeblüht, reichte Edeltrudis auf Wunsch ihrer Eltern ihre Hand dem Fürsten der Girvier, Tondbert, zum Lebensbunde. Schon nach zwei Jahren ward Tondbert ihr durch den Tod entrissen. Am liebsten hätte sie nun, wie es seit früher Jugend das Sehnen ihres Herzens war, sich in die Einsamkeit der Insel Ely, die Tondbert ihr als Geschenk zugewiesen, zurückgezogen, um ganz ihrem Gott zu dienen. Da begehrte König Orwid von Northumbrien sie zur Gemahlin für seinen Sohn Egfrid und erhielt ihre Zusage. Zehn Jahre lebte sie mit Egfrid in jungfräulicher Ehe, dann aber kehrte sie um 671 der Welt den Rücken und trat in das Kloster Coldingham ein. 673 verließ sie dasselbe und stiftete in den unbewohnten Sümpfen von Ely ein neues Kloster, des Äbtissin sie bald wurde. Unter Leitung des heiligen Bischofs Wilfried leuchtete sie ihren Mitschwestern voran als ein Vorbild klösterlicher Zucht und Frömmigkeit. Ein mit einer starken Geschwulst verbundenes Halsleiden setzte ihrem Leben ein Ziel, sie starb am 23. Juni 679 und wurde nach ihrem Wunsche auf dem Klosterfriedhof von Ely in der Reihe der Schwestern in einem hölzernen Sarg begraben.

Diese geschichtlich feststehenden Tatsachen lassen für einen Aufenthalt der Heiligen in Deutschland keinen Raum, es ist sicher, dass sie England nie verlassen hat. Wie aber, so fragen wir, wurde die Verehrung der hl. Edeltrudis nach Deutschland verpflanzt an unseren Brunnen? Niederöfflingen ist die einzige Kirche in den Rheinlanden, die sie als Patronin verehrt; ob sie in Deutschland noch eine zweite Kirche besitzt, ist uns unbekannt.

Sechzehn Jahre ruhte der Leib der Heiligen in der Erde, wiederholt waren auf ihre Anrufung und an ihrem Grabe wunderbare Gebetserhörungen erfolgt. Da entschloss sich ihre Nachfolgerin und leibliche Schwester, Äbtissin S. Serburga, die Reliquien zu erheben und in die Kirche zu übertragen. Man öffnete das Grab und fand den Leichnam unversehrt, die offene Wunde am Halse, mit der sie beerdigt worden, war völlig zugeheilt, ein lieblicher Wohlgeruch entströmte dem Grabe. Der Arzt Kinnfried, der einst ihre Wunde behandelt, persönlich bei Öffnung des Grabes zugegen, bezeugt diese Tatsachen und bekundet, Edeltrudis habe ausgesehen, als wenn sie schliefe. Staunend ruft Beda aus:

„ Ihr so erhabener Leib war sechzehn November begraben; Nicht die Verwesung sah ihr so erhabener Leib. Dein Werk ist’s heiliger Christ, dass selbst im Grabe noch bleibetSeine Schönheit bewahrt. Dein Werk ist’s heiliger Christ.“

An dem Orte, wo sie zuerst geruht, entsprang eine Quelle, durch deren Heilkraft viele Kranke, zumal Augenleidende geheilt wurden. Daher erklärt es sich, dass Edeltrudis vor allem als Schutzpatronin gegen Augenkrankheiten, so auch an unserem Brunnen, verehrt wird. In der Hauptquelle für die Geschichte aller Heiligen, der von dem belgischen Jesuiten Johannes Bollandus begründeten Sammlung von Heiligenleben, gewöhnlich kurz die Bollandisten genannt, die bis heute 60 Foliobände umfasst, nimmt ihre Lebensbeschreibung 78 Seiten ein (Juni Band 5, S 417 – 495), die größtenteils durch Berichte über Wunder ausgefüllt werden, die an ihrem Grabe geschehen sind. Bald wird ihr Name in ganz England mit Ehren genannt, ihr Geist pflanzt sich in ihrer Stiftung Ely fort, dass allezeit dort Zucht und Ordnung herrschten und die edelsten und jugendhaftesten Jungfrauen sich zu den Zellen des Klosters drängten. 870 sinkt die Abtei bei einem Einfall der Dänen in Trümmer. 970 wird sie durch Bischof Ethelwold von Winchester wieder aufgebaut und 1109 wird die Abtei zum Bischofssitz erhoben. „Bis zur Reformation unterließ kein englischer Schriftsteller es, auf das Grab der hl. Edeltrudis eine Blume der tiefsten Verehrung zu streuen.“ (Kirchenlex. 4, 125). Der Verfasser ihrer Lebensbeschreibung bei den Bollandisten berichtet, er habe ein Messbuch aus der Zeit um das Jahr 1000 in den Händen gehabt, darin sich eine eigene Präfation zu unserer Heiligen befunden habe und ihr Name sei nach den Namen der h. Cäcilia und Anastasia in den Kanon der hl. Messe eingefügt worden.

„Siehe oh Gottesbraut, wie groß dein Ruhm ist auf Erden! Welche Ehre ist dein, siehe o Gottesbraut!“ (Beda)

695 waren die Gebeine der hl. Edeltrudis erhoben worden und ihr Ruhm drang durch ganz England. Im selben Jahr wurde der hl. Willibrord in Rom zum Bischof geweiht und kehrte bald nach Deutschland zurück, um nun als Bischof mit noch größerem Ansehen und Erfolg, wie er es als Priester schon seit 690 getan, für die Ausbreitung des Evangeliums in Deutschland zu wirken. Wie heute der Missionar im Heidenland seine Hilfsquellen sucht im Heimatland und darum mit ihm in Verbindung bleibt, so wird Willibrord auch lebhaften Verkehr mit England unterhalten und von dort wiederholt neue Mitarbeiter im Missionswerk erbeten und erhalten haben. Wenn diese nun die Heimat verließen zu einer Zeit, da diese vom Ruhm der großen Wundertäterin Edeltrudis erfüllt war, liegt es da nicht greifbar auf der Hand, dass sie diese Kunde auch nach Deutschland brachten und ihre Verehrung den Herzen ihrer jungen Christen einzupflanzen suchten, ihre Missionsarbeit unter ihren Schutz stellten? Deutliche Spuren weisen auf Echternach hin. Dort hatte die hl. Irmina 696 eine Kirche und ein kleines Kloster errichtet zur Aufnahme fremder Mönche, die als Missionare in der Umgegend wirken sollten und zur Almosenspende an die Armen. Als sie von dem apostolischen Wirken des hl. Willibrord hörte, übertrug sie ihm im Jahre 698 ihre Stiftung, die sie durch neue Schenkungen erweiterte, damit sie ein Rückhalt und eine Zufluchtsstätte sein sollte für die Glaubensboten und eine Bildungsschule für neue Missionare. (Marx, Erzst. 3, 329). Wir haben mehr als einen urkundlichen Beleg dafür, dass Echternacher Mönche im achten Jahrhundert in unserem Kreise tätig gewesen sind. Bis zur Säkularisation waren der Abtei drei Pfarreien des Kreises inkorporiert d.h. sie hatte das Recht den Pfarrer zu ernennen und einen Teil des Zehnten zu beziehen. Es waren dies Kröv, Dreis und Laufeld. Der Besitz der großen Pfarrei Kröv, zu der noch die heutigen Pfarreien Kinheim, Bengel und kinderbeuern gehörten, ist schon im achten Jahrhundert nachweisbar; wenn auch Dreis und Laufeld sicher erst 1161 als Echternacher Pfarreien bezeugt sind, so reichen doch die Beziehungen derselben zur Abtei ebenfalls ins achte Jahrhundert hinauf. Echternach hatte 973 Besitz in Eckfeld, Pfarrei Laufeld und 895 in Gladbach, Pfarrei Dreis. Vor allem aber ist wichtig eine Urkunde Karls des Großen aus den Jahren 779 oder 780. Dessen Bruder Karlmann, der schon 771 gestorben war, hatte dem Kloster Echternach die Dörfer Dreyse an der Salm und Officinus an der Lieser mit allem Zubehör geschenkt, aber darüber noch keine Urkunde ausgestellt, weshalb Karl die Schenkung in rechtsgültiger Form erneuerte. Diese Schenkung an Echternach setzt aber eine Missionstätigkeit Echternacher Mönche an diesen Orten voraus und wenn diese spätestens schon 770 in Niederöfflingen tätig sind, so bleibt kein Zweifel, dass sie die Verehrung der hl. Edeltrudis hier eingeführt haben. Es kann auch kein Bedenken obwalten, dass dieses Officinus an der Lieser das heutige Niederöfflingen sei: den 817 erfahren die Besitzungen der Abtei zu Uffeninge im Bitgau einen Zuwachs durch die Schenkung zweier Brüder Reiginbert und Herwin, 815 werden der Abtei ihre Besitzungen zu Uffichina und 915 zu Uffeninga vom König bestätigt, endlich tritt Echternach 1179 dem Erzbischof von Trier seine Besitzungen und Rechte zu Uffeninga ab, ebenso seinen Anteil an der Kirche. Damit wird der Ort dem Kurstaat Trier einverleibt und verbleibt bei demselben bis 1803, während das heute Oberöfflingen damals koch keine Kirche hatte und stets zur Grafschaft Manderscheid gehörte. Bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts schrieb man stets Ufflingen. Als Patronin der Niederöfflingen Kirche wird Edeltrudis unter dem Namen Adtudis zum erstenmal urkundlich ca. 1215 in einem Verzeichnis der erzbischöflichen Gerechtsame erwähnt.. Ihr Fest am 23. Juni findet sich schon im ältesten trierischen Heiligenkalender, der noch dem 10. Jahrhundert angehört und ehedem sich in der Abtei St. Maximin befand. Ihr Name kommt ferner vor als Oiltrudis in einem Kalendarium aus dem 13. Jahrhundert, das einst der Pfarrei Reil als Zinsregister diente, weiterhin häufiger in trierischen Kalendarien des 14. und 15. Jahrhunderts.

Die bisherige Untersuchung hat mit ziemlicher Gewissheit ergeben, dass die Verehrung der hl. Edeltrudis durch angelsächsische Glaubensboten, die aus Echternach kamen, nach Niederöfflingen gebracht wurde und sie hat uns bis in die Mitte des 8. Jahrhunderts zurückgeführt. Eine alte Überlieferung will den größten dieser Missionare, den hl. Willibrord, mit unserem Brunnen in Verbindung bringen, und wir haben nun zu prüfen, inwieweit diese Überlieferung glaubwürdig sei.

„Von der Schelde bis zur Weser, in das Innere des fränkischen Reiches bis zur Sauer und Mosel hat Willibrord Spuren seines segensreichen Wirkens hinterlassen. Viele Kirchen wählten ihn zum Patron“ (Marx, Erzst. 3, 336). Der Jesuit Christoph Brower (verst. 1617) weiß in seinem großen Geschichtswerke, den „Trierischen Jahrbüchern“ (Annales Trevirenses) von einem wiederholten Aufenthalt des hl. Willibrord im Triererland zu berichten, einmal bei der Gründung Echternachs 698, dann um das Jahr 706, wo Pipin den Heiligen, als er in der Trierer Gegend weilte, mit neuen Schenkungen reich bedachte und die Gründung Echternachs bestätigte. 709 weilte er wiederum hier und längere Zeit hielt er sich in Echternach auf um das Jahr 716, als der Friesenfürst Ratbod nach Pipins Tod den letzten Versuch machte, das Christentum aus Friesland zu verdrängen und sogar in Austrasien eindrang. Soll der Apostel in seinem rastlosen Seeleneifer diese Zeit, da sein eigentliches Missionsgebiet in Friesland ihm verschlossen war, nicht benutzt haben, um hier in unserer Heimat den Samen des Evangeliums auszustreuen, zumal nach dem Bericht des Hinkmar vom Rheims damals in den Provinzen Germaniens, Belgiens und Galiziens die christliche Religion fast ausgerottet War? Ratbods Nachfolger Algild setzte der Predigt des Evangeliums kein Hindernis mehr entgegen, daher kehrte Willibrord nach Utrecht zurück und vollendete die Bekehrung der Friesen. Er starb 81 Jahre alt zu Echternach 739 und fand dort seine letzte Ruhestätte. Brower, der sich auf die Lebensbeschreibung des Heiligen durch den Echternacher Abt Thiofried (um 1100) stützt, hebt in seinem Nachruf hervor, dass er die Friesen, Flandern, Alemannen, Riquarier  und andere wilde Völker vom Joch des bösen Feindes befreit und der Freiheit Christi zugeführt habe. Eine Anwesenheit des hl. Willibrord an unserem Brunnen fügt sich demnach gut in seine Lebensgeschichte ein, und wenn wir bedenken, dass der Ruhm der hl. Edeltrudis am meisten glänzte in den ersten Jahren nach Erhebung ihrer Reliquien, so gehen wir wohl nicht fehl, wenn wir die Tätigkeit des hl. Willibrord am Brunnen etwa um das Jahr 700 ansetzen.

Weiterhin schreibt der genannte Brower, dass von der Sorge des hl. Willibrord um die trierische Kirche und von seine Liebe zu ihr bedeutende Erinnerungszeichen zeugten. Zu diesen Erinnerungen zählen vor allem die vielen Kirchen, die seinen Namen tragen; in Holland gibt es heute deren nicht weniger als 56, im Rheinland sind 46 Kirchen und Kapellen ihm geweiht. Manche dieser Kirchen verehren ihn wohl deshalb als Patron, weil der Heilige an diesen Stätten gewirkt hat, und die dankbare Nachwelt hat ihm zu Ehren die Kirchen erbaut. So wurde noch jüngst berichtet, dass der uralte Turm der früheren Pfarrkirche zu Limbach, wo St. Willibrord noch heute Patron ist, von der Volksüberlieferung als Willibrordskapelle bezeichnet werde, weil Willibrord oder seine Gefährten hier geweilt (Köln. Volksztg. 1922, Nr. 345). Auch die Pfarrkirche zu Laufeld ist ihm geweiht und diese scheint die Mutterkirche von Niederöfflingen gewesen zu sein, wie man daraus schließen darf, dass die Laufelder Bittprozession ehedem nach Niederöfflingen, Schladt und Eckfeld ging, bevor Clemens Wenzeslaus die Prozessionen nach Zahl und Entfernung einschränkte. Die Tatsache, dass die
Pfarrei, in deren Bering der Edeltrudisbrunnen lag, den hl. Willibrord als Patron verehrt, ist eine weitere Stütze für unsere Überlieferung.

Häufig wird der hl. Willibrord mit heiligen Quellen in Verbindung gebracht. So wird berichtet, dass er, von einem Sturm auf die Insel Helgoland verschlagen, dort in einer dem Gotte Fesite heiligen Quelle drei Heiden getauft habe und infolgedessen beinahe von den erbitterten Götzendienern erschlagen worden sei. Einer seiner Gefährten erlitt bei dieser Gelegenheit den Martyrtod. Auf einer Missionsreise litt er mit seinen Gefährten unter Mangel an süßem Wasser, sodass sie fast verschmachteten. Er ließ in seinem Zelt eine Grube in den Sand graben und betete zu Gott, er möge seinen Dienern Wasser geben, wie er einst seinem Volke in der Wüste aus dem Felsen Wasser hervorsprudeln ließ. Auf der Stelle wurde sein Gebet erhört, eine Quelle süßen Wassers füllte die Grube. Eben dieser Born wird jetzt noch – sagt ein alter Geschichtsschreiber – gezeigt auf dem Gebiet von Heyligelo (Helgoland) und wird von den Besuchern Willibrordsborn genannt. Bekannt ist auch der Willibrordsbrunnen in Echternach, andere sind z.B. in Daleiden und Weinsheim, in unserem Nachbarkreise Prüm, ferner in Wilwerswilz (Luxemburg) und Kirdorf (Erzdiözese Köln), auch in Holland soll sich eine Reihe Willibrordsbrunnen befinden. Soll es deshalb unwahrscheinlich sein, dass Willibrord auch zu unserem Brunnen Beziehungen hat?

Einen weiteren Beweis für diese Beziehungen liefert uns der Brunnen selbst. Die Wölbung über dem Brunnen ist etwa um 1870 neu aufgebaut worden, wobei man die alten Figuren im Inneren wieder eingemauert hat. Da ist zuerst eine stark verwitterte Büste der hl. Edeltrudis mit der Schrift, dass dieser Brunnen ihr geweiht sei, und mit der Jahreszahl 1608; daneben eine Muttergottes in schmerzerfüllter Haltung, deren Gegenstück stark verwittert, den hl. Johannes darstellen dürfte. Vielleicht gehören beide zu einem Kruzifixus, von dem ein Bruchstück mit derselben Zahl 1608 über der Brunnenöffnung angebracht ist. Zur Linken befindet sich eine etwa 1 Meter hohe Figur von rotem Sandstein, durch Mitra und Stab als Bischof gekennzeichnet, den eine Inschrift am Fuß als den hl. Willibrord ausweist. Nach den Urteil von Sachkennern gehört diese Figur der romanischen Zeit an und weist damit ein Alter von mindesten 700 – 800 Jahren auf und ist somit ein gewichtiger Zeuge für das hohe Alter unserer Überlieferung.

Noch mehr wird diese Überlieferung bestätigt durch ein lateinisches Gedicht, das Brower in das Jahr 977 verlegt und das sich, um eine Verse erweiter, in den Fasti Trevirenses (=Trierischer Heiligenkalender) findet, einem 1587 gedruckten Werke des Dichter Matthias Agritius (geboren zu Wittlich um 1545, gestorben in Himmerod 1613). Darin wird geschildert, wie Edeltrudis aus königlichem Geblüte nach jungfräulicher Ehe sich in die Einsamkeit zurückzieht und mitten im Waldesdickicht und Dornengestrüpp in armer Hütte lebt. Da kommt Willibrord, der Apostel der Friesen zu ihr, und da großer Mangel an Trinkwasser herrscht, stößt er mit einem Stab in die Erde und sofort sprudelt eine liebliche Quelle süßen Wassers hervor. Der Brunnen, so heißt es weiter, erfreut sich noch heute großer Wertschätzung und wer daraus trinkt, findet seinen Lohn. So lebt die Jungfrau fort und ihr Andenken wird nicht untergehen, so lang der „Grune Waldt“ besteht. Diese Stätte befindet sich nach dem Gedicht in der Nähe der Lieser und Brower weist darauf hin, dass der Wald Grünewald heißt. Er verkennt aber nicht, dass der Aufenthalt der hl. Edeltrudis im Triererland ein Irrtum des Dichters sei und glaubt die Legende so erklären zu können, dass der hl. Willibrord vielleicht durch eine Reliquie der hl. Edeltrudis den Brunnen ins Dasein gerufen habe. Die Bollandisten gehen noch weiter und vermuten, Willibrord habe durch Gefährten, die aus England kamen, etwas von den Linnentüchern, in denen der Leichnam der Heiligen eingehüllt war, erhalten und damit das Wunder gewirkt. Sie sind aber im Irrtum, wenn sie den Schauplatz des Wunders in die Gegen des Zusammenflusses von Our und Sauer, in die Nähe eine Ortes Walstorp (wohl das heutige Wallendorf) verlegen wollen.

Fassen wir nun das Ergebnis unserer Untersuchungen zusammen: Die Verehrung der hl. Edeltrudis geht bis in das achte Jahrhundert zurück und ist durch angelsächsische Mönche, die aus Echternach kamen, an den Brunnen verpflanzt worden. Die Überlieferung, der hl. Willibrord sei es selber, dem der Brunnen sein Dasein verdankt, ist innerlich durchaus wahrscheinlich und wird durch so gute Gründe gestützt, dass die Wahrscheinlichkeit sich der Gewissheit nähert.

Somit erweist sich der Edeltrudisbrunnen als eine der ältesten christlichen Kultstätten unserer engeren Heimat, ehrwürdig durch sein Alter, ehrwürdig durch den Mann, der ihn geheiligt, ehrwürdig durch den Segen des Christentums, der von ihm ausgegangen, wie aus einer Quelle, die das Erdreich befruchtet. 1200 Jahre Christentum! Mit welcher Ehrfurcht wird der Pilger diese Stätte betreten, mit welchem Vertrauen hier beten, wie nachsinnend die Gedanken schweifen lassen in die vergangenen Tage! Vielleicht sprudelte ehedem hier, im Schatten vielhundertjähriger Eichen, geheimnisvoll eine heilige Quelle, den Göttern geweiht. Da erscheinen eines Tages seltsame Männer aus fremden Lande, Neugier treibt die Einwohner herbei, zu fragen nach ihrem Begehr. Im weiten Kreise umringen sie die Fremdlinge, reckenhafte Männer, Frauen, die Spuren harter Arbeit tragend, Greise und Kinder im Lenz des Lebens. Und es tritt in die Mitte der Führer der fremden Männer, in der Hand das Kreuz. Sieh, wie er dasteht in der Blüte der Jahre, wie seine Augen leuchten von Begeisterung, wie er die Hand erhebt und hinzeigt auf das Zeichen der Erlösung, wie beredt sein Mund zu schildern weiß die Liebe des Gottessohnes, der auf diese arme Erde gekommen und die Freuden des Himmels uns verheißen hat. Nun verkündet er das Gesetz seines Reiches: „ Wer glaubt und sich taufen lässt, wird selig werden“, schildert begeistert, wie der Herr diesen Glauben besiegelt durch Wunderzeichen, gewirkt durch seine Diener, wie er es in ihrer, wie er es in ihrer Heimat getan durch seine Dienerin die hl. Edeltrudis und siehe! – die Gnade hat gesiegt, sie treten zum Glaubensboten, und das Wasser des Brunnens fließt wie lebenspendender Quell über ihr Haupt! Aus Dank gegen Gott, zur Ehre der großen Wundertäterin in seiner Heimat, die sein Wort gesegnet, baut er ein kleines Heiligtum, vielleicht eine schlichte Waldkapelle und pflanzt darauf das Kreuz. Bald treibt ihn der Drank seines Apostelherzens weiter, aber immer wieder kommt er oder seine Gefährten zurück, um das, was sie gesät, zu pflegen und zu begießen durch Gottes Gnade und die Heilmittel der hl. Kirche. Ist’s Wirklichkeit? Sind diese Bilder Phantasie und Traum?  . . .

Wie viel erst kann das Murmeln der Quelle uns erzählen, von so vielen Tausenden, die in 12 Jahrhunderten hergewallt sind und gebetet haben an der Gnadenstätte, von so viel Menschenleid und von so viel Hilfe, die St. Edeltrudis hier gespendet, dass bis heute nach so langen Jahren immer wieder Pilger kommen, ihre Fürbitte anzurufen. Möge es immer so bleiben, möge das Andenken der hl. Jungfrau fortleben an dieser Stätte, möge sie uns allen Fürsprecherin sein. Möge aber auch der Glaube, der den Vorfahren hier verkündet, den Nachkommen heilig sein, ihnen Halt sein im Leben und Trost im Sterben! *)

*)  Erwähnt sei noch, dass in der Pfarrkirche zu Wittlich auf dem Muttergottesaltar sich ein Gemälde der hl. Edeltrudis befindet: es ist vielleicht deshalb hier angebracht, weil die Priester, die auf diesem Altar gestiftete Messen lesen mussten – deshalb Altaristen genannt – jahrhundertelang einen Teil ihres Einkommens, bestehend in Fruchtrenten, aus Niederöfflingen bezogen . – Eine Kirche in Niederöfflingen wird zum erstenmal 1179 genannt in einem Vertrag zwischen dem Erzbischof von Trier und Echternach. Der Erzbischof verzichtet auf Einkünfte Echternachs zu Kröv, er erhält dafür von der Abtei deren Besitzungen und Rechte zu Uffeninge und einen Anteil der Kirche. Damit wird der Ort von der Mutterkirche Laufeld losgelöst und kommt unter kurtrierische Hoheit. 1215 wird er als Kapelle bezeichnet, d.h. es ist ein abgegrenzter Seelsorgebezirk mit eigenem Geistlichen, ohne schon Pfarrei zu heißen. 1276 überweist der Erzbischof diese Kirche dem neugegründeten Stift Kyllburg, bei dem sie bis 1803 verbleibt. Damals scheint es zur Pfarrei erhoben zu sein, denn in einer Steuerliste der Pfarreien um 1330 wird es als solche bezeichnet.
Die uralte kleine Kirche – schon um 1770 baufällig – fällt 1822 einem Blitzschlag zum Opfer und wird im selben Jahre durch den heutigen anspruchslosen Bau ersetzt, bei dem viel Hauwerk aus den Ruinen Himmerods verwendet wird. Darunter ist bemerkenswert ein Wasserbecken, das heute als Taufstein dient und besonders das Portal, einst der Haupteingang des Klosters mit dem Wappen des letzten Abtes Anselm von Pidoll.